Aston Martin DB11

Wenn man sich die Entwicklung des Automarktes im Allgemeinen anschaut, wird selbst der größte Nicht-Auto-Laie bemerken, was vor sich geht: die Elektrifizierung. Auch Aston Martin hat die Idee aufgegriffen und – um Erfahrungen mit der neuen Antriebstechnik zu sammeln – den Rapide in einer Kleinserie auf Elektroantrieb umgestellt. Das Fahren mit einem Elektroauto ist eigentlich ganz angenehm… Aber dann fährt man einen DB11 mit dem Schmuckstück eines Verbrennungsmotors und ich frage mich: Kann ein Elektroauto trotz der enormen Beschleunigung das Glücksgefühl hervorrufen, das der DB11 auslöst?

Alles beginnt mit dem Design. Was die Briten auf die Räder gestellt haben, ist atemberaubend schön. Der DB11 hat sozusagen die Dimensionen eines Automodells: eine tiefe Frontpartie, eine lange Motorhaube, ein flaches Dach, eine ausgeprägte Hüftkurve und ein breites, aber leichtes Heck. Das gesamte Design sieht so glatt aus, ohne störende Elemente und ohne Spoiler. Unzählige anerkennende Blicke beweisen, dass dieses Auto wunderschön ist.

 

Das edle Cockpit präsentiert sich ziemlich eng, wie ein Massanzug. Viel Luft für die Knie oder den Kopf bleibt für grosse Personen nicht, aber es wirkt nicht störend. Sehr gut sind die Sitze, die sich vielfach verstellen und beheizen sowie belüften lassen. Doch so überragend die Qualität und die Haptik auch sind, das Infotainmentsystem ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Das von Mercedes stammende Comand Online System ist weder das Schnellste, noch das Intuitivste. Vielleicht ist Connectivity nicht das Kernkriterium für einen Aston Martin, doch ein angenehm zu bedienendes Navi sollte schon drin liegen. Ebenfalls nichts zu lachen hat die Person, die sich zur Not hinten rein quetschen muss. Selbst wer wirklich klein ist, kämpft mit massiven Platzproblemen. Länger als zehn Minuten mag man niemandem zumuten. Mehr Aston Martin Like ist dann eher der fein ausgekleidete Kofferraum, der zwei Koffer für den Weekend-Trip locker schluckt. Highlight: Der hochwertige Regenschirm mit edlem Aluminium-Griff, der aus jedem Mann einen Gentleman macht. Allerdings kostet er 257 € Aufpreis – Kleingeld für die Klientel.

Zeit, zum spannenden Teil zu kommen und den 4-Liter V8-Biturbo von AMG anzuschmeissen. Mit einem V8-Bollern, das die Bezeichnung Understatement überhaupt nicht verdient, meldet sich das Triebwerk zum Dienst. Über das Lenkrad lassen sich Antrieb sowie Fahrwerk separat in die Modi GT, Sport sowie Sport+ versetzen. Da sich der DB11 als GT versteht, starte ich in diesem Modus.

Der GT-Fahrmodus spiegelt am besten wider, was das Design verspricht: kultiviertes und stilvolles Fahren. Der angenehme Klang des V8 begleitet die Fahrt stets und der Wagen zeigt sich (vorerst) dezent von seiner sportlichen Seite. Der Hauptunterschied zum aggressiv gestalteten AMG GT ist das 8-Gang-Automatikgetriebe. Er schaltet sehr sanft und auch bei stärkerer Beschleunigung kommt es nicht zu einem Ruck. Stattdessen bleibt das Getriebe ruhig und nutzt ein hohes Drehmoment. Insgesamt ergibt sich daraus ein geschmeidigeres Fahrverhalten als beim AMG GT, der mit seinem Doppelkupplungsgetriebe und der scharfen Gasannahme dem Fahrer eher den Hintern versohlt. Auf der Autobahn, also auf langen Strecken, hat der DB11 mit lauten Abrollgeräuschen zu kämpfen, die vor allem von der Hinterachse kommen. Außerdem erzeugen die sehr weit von der vorderen Säule abstehenden Außenspiegel Windturbulenzen, die ebenfalls zu spüren sind. Das wird durch den Blick in den Spiegel kompensiert, in dem man immer wieder den verführerischen Hüftschwung des Autos bewundern kann. Ein völlig anderes Bild ergibt sich, wenn man den DB11 im Fahrbetrieb erdet. Ein weniger auffälliger Fahrwerkswechsel, der selbst im Modus Sport + noch genügend Reserven für schlechte Straßen bietet. Unter der Motorhaube wird es noch viel aggressiver. Im Sport-Modus spricht der Motor sehr gut an, die Auspuffklappen öffnen sich und die zweiflutige Auspuffanlage knallt, als ob jemand nicht bis zum 1. August warten könnte! Noch wichtiger ist, dass es nicht nur eine Show ist. Der AMG-Motor hat viel Feuer, dreht gierig bis zur 7.000er-Grenze und verwandelt den eleganten Briten in ein wildes Raubtier. Besonders befriedigend ist es, wenn man sich ein großes Paddel schnappt und der nächste Gang mit einem Ruck und einem Knistern nach oben geschleudert wird. Beeindruckend sind auch die guten Bremseigenschaften und die scharfe Lenkung, bei der man fast das Gefühl hat, dass die Hinterachslenkung funktioniert, was aber nicht der Fall ist. Bei Kurvenfahrten ist ein gewisses Maß an Vorsicht geboten. Der Motor hat Kraft und Empfindlichkeit wie eine Abrissbirne. Die Traktionskontrolle ist selbst auf trockener Fahrbahn bis zum dritten Gang ausreichend, und selbst bei aktivem ESP neigt das Heck bei zu starker Beschleunigung zum Auskeilen. Dies geschieht schnell und ohne Vorwarnung, so dass der Sport + Modus mit reduziertem ESP mit Vorsicht zu genießen ist. Die sehr direkte Lenkung und die unbändige Kraft geben Ihnen das Gefühl von Geschwindigkeit und Heldentum, aber Sie sollten immer daran denken, dass die Motorleistung Sie auch angreifen kann. Der Hinterradantrieb bleibt ein Hinterradantrieb, und vor allem bei Regen ist die Drosselklappe kaum mehr als halb geöffnet. Der DB11 beherrscht die Balance zwischen entspanntem Cruisen im GT-Modus und entspanntem Fahren in schärferen Modi erstaunlich gut. Trotz des AMG-Motors kann sich der Brite sehr wohl vom Mercedes AMG GT unterscheiden. Aber ist es Zeit für einen elektrischen Aston Martin? Ich kann mir nicht vorstellen, dass zum Beispiel ein DB11 ohne Verbrennungsmotor die gleichen Emotionen hervorrufen könnte. Schließlich ist es die Mischung aus Kultur und Wildheit, die den Reiz des Wagens ausmacht, und natürlich das handgefertigte Interieur. Der Testwagen kostet 207.000 Euro, aber die Verarbeitungsqualität und das Image haben ihren Preis. Als Gegenleistung erhalten Sie einen exotischen Wagen von hervorragender Qualität, der ausschließlich zum Fahren bestimmt ist. Ich habe es sehr genossen, das Auto ohne Notbremsassistent, Spurhalteassistent und Fernlichtassistent zu fahren. Es besteht eine sehr enge Verbindung zwischen Mensch und Maschine, was letztlich der Grund für die anhaltende Faszination dieser Art von Fahrzeugen ist.